Der Monat September steht für uns traditionell im Zeichen von zwei bedeutenden Veranstaltungen: der Zukunft Personal im HR-Bereich und der DMEXCO, dem Klassentreffen der Marketeers. Auch wenn es abgesehen vom Veranstaltungsort, der Koelnmesse, vergleichsweise wenige offensichtliche Parallelen gibt, konnten die Teilnehmer:innen bei beiden Events in diesem Jahr beobachten, wie das Thema Künstliche Intelligenz die Bühnen und Ausstellerstände dominiert hat. Künstliche Intelligenz war omnipräsent. Das Interesse war riesig, doch die tiefgreifenden Erkenntnisse blieben bedauerlicherweise überschaubar. Leider ist es den Expert:innen wieder einmal gelungen, mit Buzzwords in ihren Ständen und Vortragsüberschriften das interessierte Publikum außerhalb ihrer Filterblase bis auf (zu) wenige Ausnahmen abzuhängen. Schade.
Die Euphorie rund um Künstliche Intelligenz, genauer gesagt um generative KI, tobt seit Monaten. Seit ChatGPT Einzug in den experimentellen Arbeitsalltag von Mitarbeitenden gefunden hat, wird rauf und runter diskutiert, welche Veränderungen bevorstehen. Multipostings im Recruiting, Personalmarketing, optimierte Stellenanzeigen und Unternehmenswebseiten oder die automatisierte Erstellung von Blogbeiträgen und Social Media Posts bei LinkedIn – das sind die ersten Auswüchse des Einsatzes vermeintlich intelligenter Automatisierungslösungen. Zugegeben: Das ist eine oberflächliche Betrachtung. Es ist jedoch vor allem das, was den normalen Besucher:innen auf diesen Veranstaltungen zuhauf vermittelt wird. Es bedarf schon einer gründlichen Vorbereitung, um die wirklich wertvollen Angebote im Veranstaltungsprogramm zu finden. Doch Hand aufs Herz: Wer nimmt sich dafür schon die Zeit?
Schnell, schnell, schnell: Der Umsatz ist wichtiger als der Einsatz
In Anbetracht der zahlreichen Prognosen, Trendstudien und den damit verbundenen Hoffnungen, aber auch Ängsten, ist es umso wichtiger, einen praxisnahen, nüchternen und kritischen Blick auf das vielfältige Angebot an Lösungen im Bereich generativer KI zu werfen. Das gilt insbesondere für diese Veranstaltungen. Den ausstellenden Unternehmen fällt genau das naturgemäß schwer, schließlich wollen sie die Welle der Begeisterung für ihr Neugeschäft nutzen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Abschlüsse, Deals, Leads oder andere Kennzahlen von entscheidender Bedeutung, um das Investment in derartige Branchentreffpunkte zu rechtfertigen. Das entbindet sie jedoch nicht von ihrer eigentlichen Verpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften – dazu gehört vor allem eine entspannte und verständliche Einordnung der verschiedenen Lösungen und Angebote auf dem Markt, speziell für die jeweils adressierten Unternehmen und Organisationen. Generative KI spielt hierbei nur eine Geige im Streichquartett der Künstlichen Intelligenz. Die anderen Partituren werden von Datenanalysen, Prozessautomatisierung und – was besonders wichtig ist – den Menschen übernommen (siehe auch unsere Übersicht zur Unterscheidung von generativer KI, Robotic Process Automation und Data Analytics). Der Mensch spielt immer noch die erste Geige. Er ist der Primarius (inter pares).
Mir scheint, als würde genau dieser Aspekt in der gesamten Euphorie übersehen oder schlicht hinten angestellt. Nicht falsch verstehen: Ich bin seit mehr als 20 Jahren in der digitalen Wirtschaft zu Hause. Aber am Ende geht es doch auch hier um Menschen. Sie sollen Zugang zu diesen Technologien erhalten, um zielführend einzelne Aufgaben und Prozesse einfacher erledigen und vor allem bessere Ergebnisse erzielen zu können. Aber anstatt darauf einzugehen, welchen konkreten Nutzen sie und die Unternehmen daraus ziehen können und so die Bedenken ernst zu nehmen und im Idealfall zu zerstreuen, werden sie mit Wortwolken und Fachbegriffen zugedröhnt.
Wie der Blick auf die Zukunft die Wahrnehmung der Realität verstellt
Sowohl bei der Zukunft Personal als auch bei der DMEXCO gab es Momente, in denen ein solcher Perspektivwechsel stattgefunden hat. Nur leider zu selten. Dabei haben beide Disziplinen – HR und Marketing – in meinen Augen immer noch echte Hausaufgaben zu lösen. So fehlt es im HR-Bereich immer noch an Standards, die den Recruitingprozess von der Ausschreibung über die Bewerbung bis zum Onboarding von Bewerber:innen so sicherstellen, dass Daten reibungslos und aus allen vorhandenen Quellen übernommen werden können. Ein Blick ins Programm offenbart: Fehlanzeige. Das entspricht nicht den Diskussionen, die ich mit betroffenen Unternehmen und Personalverantwortlichen in Köln geführt habe. Dem stehen dann aber 50 Programmangebote gegenüber, die “KI” oder “AI” (je nach Sprache) im Titel tragen. Es ist dieses Ungleichgewicht, das ich meine.
Wichtig: Der Blick von außen
Überflüssig zu erwähnen, dass selbst die aufgeklärten Digital Natives, sprich die Gen Z mit akademischem Hintergrund, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz – egal ob an den Hochschulen oder in ihrem Jobumfeld – durchaus kritisch bewerten. Rund die Hälfte würde den Einsatz von KI-Anwendungen an Hochschulen sogar verbieten, wie die Trendumfrage unseres Kunden JobTeaser im Frühjahr offenbart hat. „Des ignoriern ma net amoi!“, dieses Karl Valentin zugeschriebene Zitat beschreibt das Verhalten seiner bayerischen Landsleute, wenn sie etwas so stört, dass sie es mit dem Höchstmaß an Verachtung strafen wollen. Diese Haltung ist sicherlich keine Lösung, aus Sicht der von KI-Anwendungen künftig Betroffenen aber eine verständliche Reaktion. Denn das meiste, was sie dazu lesen, hören oder auch bei solchen Branchenevents beobachten, verwirrt sie nur weiter, anstatt sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Und das sei noch einmal allen (selbsternannten oder anerkannten) Expert:innen gesagt: Die meisten Menschen sind von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit KI viel weiter weg als vermutet.
Umso mehr bedarf es Formate, die all das einordnen, kritisch begleiten und vor allem mit dem Alltag und der Praxis der Beteiligten verbinden. Wie KI bei der DMEXCO Einzug gehalten hat und was Marketeers dabei nicht außer Acht lassen sollten, dazu schreibe ich im zweiten Teil.
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