20. Juni 2012

Post-Kommerz, unternehmerische Verantwortung und der tiefere Sinn

Tom Beckman spricht mir aus der Seele, wenn er sagt, dass „Earned Media“, die momentan als Bewertungsgrundlage für die Kommunikation von Unternehmen hoch im Kurs stehen, nur ein Zwischenschritt sind. Warum Unternehmen in Erwägung ziehen sollten, das „Richtige“ zu tun statt nur auf Profit zu schielen, zeigt auch das aktuelle Beispiel des Avoid-PlugIns, mit dem Verbraucher Hersteller ausblenden können, die vermutlich auf Kinderarbeit setzen.
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In seinem lesenswerten Beitrag für das Contagious Magazine befasst sich Tom Beckman unter dem Titel „Post-Commercialism“ mit den Veränderungen, denen sich Unternehmen im Marketing und der gesamten Unternehmenskommunikation aktuell ausgesetzt sehen. Selten habe ich einen Beitrag gelesen, in dem ich meine eigenen Grundsätze so gut wiederfinden konnte. Ja, ich bekenne mich zu meinem Weltverbesserer-Gen. Meiner Auffassung nach gab es so etwas wie „Ursprungsversprechen“ des Internetzeitalters: Partizipation, Machtverteilung, Transparenz, Effizienz. Wiedererkannt? Richtig, alles „Buzzwords“ unserer Zeit.

Doch schauen wir kurz auf Beckmans Beitrag. Er verweist darauf, wie technische Innovationen (Web. Mobile, Automatisierung etc.) und die Hinwendung zu „Earned Media“ (in Form von Bewertungen, Kommentaren, geteilten Inhalten, redaktionellen Beiträgen) die Kommunikation von Unternehmen verändert hat. Es geht vor allem darum, mit den richtigen (in der Regel als aufmerksamkeitsstark angelegten) Geschichten schnell und effizient Kunden, Stakeholder und letztlich Medien und Multiplikatoren zunehmend direkt über soziale Netzwerke zu erreichen.

Interesse statt Aufmerksamkeit

Dieser Kampf um Aufmerksamkeit neigt sich dem Ende. Denn der Kunde hat die Wahl. Und damit ist nicht nur die Wahl zwischen verschiedenen Produkten und Services mit unterschiedlichen Preisen und Qualitätsmerkmalen gemeint. Vielmehr geht es um die Wahl zwischen gut und schlecht, genauer: zwischen gut, gleichgültig und böse. Kunden (und Nicht-Kunden) können heute alles hinterfragen, recherchieren und sich über weit mehr als das angebotene Produkt selbst informieren. Ja klar, auch in Zukunft werden viele Kunden immer noch rein nach dem Preis gehen. So ist das eben in einer Gesellschaft, in der suggeriert wird, jeder könne sich alles leisten. Doch dieses Konzept ist ein Auslaufmodell.

Welches Konzept ist in Zukunft wohl tragfähiger? Produkte zu vermarkten, die mit fetten Logos Kunden zu Botschaftern von Marken und Herstellern machen sollen, die außer dem Produkt selbst nichts anzubieten haben? Oder Anbieter, die sich mit den Wünschen, Sorgen und Lebensumständen ihrer Kunden auseinandersetzen und die genau das in ihren Produkten, ihrer Unternehmenskultur widerspiegeln? Eindrucksvoll zeigt Beckman, wie Markenbewusstsein (hier manifestiert in der Logogröße) in reiferen Märkten schwindet („logo size is growing in the east and shrinking in the west“). Es treten andere Dinge ind en Vordergrund. Bei zunehemnd vergleichbaren Angeboten und vergleichbarer Qualität, geben mitunter schon jetzt Nachhaltigkeit, Produktionsumstände und die Unternehmensphilosophie (inkl. glaubwürdiger Engagements der Unternehmen) den Ausschlag.

Haltung zeigen!

Die Konsequenz für Unternehmen? Corporate Social Responsibility nicht als Feigenblatt zu verstehen, sondern als Kernaufgabe unternehmerischer Verantwortung. Haltung zeigen, Farbe bekennen, sich nicht raushalten, wenn es um politische und gesellschaftliche Anliegen geht. „Don’t create advocates – be an advocate“, sagt Beckman und Recht hat er! Es geht nicht um „earned media“, es geht um „earned business“. Verdient Euch Eure Kunden! Oder wie es Beckman sagt: „Buying a product is no longer a result of identification with a brand but rather a vote on the stand point of the producer resulting in a growing demand for products and services that not only meet a consumer need but equally important develops the industry and benefit society.“

Wie gesagt: Selten habe ich einen Beitrag gelesen, in dem ich meine eigenen Grundsätze so gut wiederfinden konnte….

Update 1:
Wie zufällig stolpere ich dann heute auch noch über einen Artikel in der Absatzwirtschaft, in dem über das sog. AVOID-PlugIn für den Google Browser Chrome berichtet wird, das automatisch Produkte bei Online-Shops ausblendet, deren Hersteller im Verdacht stehen keine ausreichenden Maßnahmen gegen Kinderarbeit getroffen zu haben. Ein Beispiel, das ich besser nicht hätte malen können, anders formuliert mit technologischen Innovationen zum „earned business“! Großartig! Mehr davon!

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