Ein Rückblick auf das 23. Medienforum.NRW und ein Beitrag zur Diskussion
Disclaimer: pr://ip hat im offiziellen Auftrag des Medienforums den Austausch zwischen Referenten und Presse koordiniert. Dieses Mandat haben wir übernommen, weil Programm sowie Redner uns überzeugt haben.
Dem Medienforum.NRW haftet – wohl auch aufgrund seines Alters – der Ruf einer angestaubten Veranstaltung an. Auf den ersten Blick scheinen das viele Teilnehmer, die augenscheinlich den klassischen Mediengattungen zuzuordnen sind (Print, TV, Radio) oder diese gar als Verbandsvertreter auf einzelnen Podien repräsentieren, zu bestätigen. Auch Panelzusammensetzungen mit Monika Piel, Jürgen Doetz, Anke Schäferkordt und Dr. Jürgen Brautmeier sprechen nicht gerade für Diskussionen, die wesentlich Neues zu Tage fördern. Zu oft hat man solche Konstellationen in den vergangenen Jahren in Köln oder auch bei den Medientagen München gesehen, als dass dies wirklich noch jemanden hinter dem Ofen hervorlockt. Dass das Medienforum hier die Erwartungen zum Teil gesprengt hat, lag an der intelligenten Unterwanderung einzelner Panels und am Auftakt durch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die in ihrer Begrüßung sogleich das werbefreie Öffentlich-Rechtliche thematisierte. Soviel Bekenntnis war selten.
Zu den „Störern“ darf sich Richard Gutjahr zählen, der – obgleich als freier Journalist auch als Moderator für den BR tätig – mit (hoffentlich) bewussten Provokationen die Zuhörer gar nicht erst eindämmern ließ. Natürlich war der Vergleich der Sender- und Verbandsmächtigen mit den nordafrikanischen Potentaten überzogen, ermunterte jedoch seine Gegenüber zum Konter, der in der Aussage von Jürgen Doetz gipfelte, dass er sich von der re:publica Community nicht diktieren lassen wolle, welche Kommunikationskanäle er zu bedienen habe. Beide Seiten schossen über das Ziel hinaus, machten indes aber die Demarkationslinie noch einmal klar. Interessant: Gutjahr wurde in der Berichterstattung in erster Linie als „Blogger“ tituliert (s. Horizont oder auch den Kölner Stadtanzeiger), dürfte jedoch in Wahrheit vor allem von seinen Einkünften als öffentlich-rechtlicher Moderator leben. Mir scheint es hier vor allem eine Generationenfrage zu sein, in welchem Ausmaß sich die digitale Spaltung vollzieht.
Klar, solche Diskussionen sind wenig konstruktiv und auch nicht wirklich zielführend. Umso mehr sollten sich alle Beteiligten klar machen, dass es vor allem der Teilnehmerkreis dieser traditionellen Mediengipfel ist, den es zu überzeugen gilt. Das „Praying-To-The-Already-Converted“ á la re:publica, Next oder dmexco vermag bei Weitem nicht soviel zu bewegen, wie es gute Inszenierungen, Erfolgsbeispiele oder überzeugende Argumentationen beim medienforum.NRW, den Medientagen oder vertikalen Branchenevents, bei denen Web & Co. selbstverständlicher Teil des Ganzen sind, können. Das spätere Abkanzeln solcher Events mit Attributen wie „altbacken“, „unbelehrbar“ oder „hoffnungslos“ kommt mir in diesem Zusammenhang genauso vor wie das Verorten der Webkonferenzen in der „Nerd“-Ecke (s. Sascha Lobo und Martina Pickhardt) Auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte. Zumal ich die Kritik am medienforum.NRW in weiten teilen für unangebracht halte. Dass diese zum Teil auch noch von Kollegen geäußert wird, die nicht einmal vor Ort waren (wie bei Indiskretion Ehrensache oder Videopunks), spricht für sich und macht es nicht wirklich besser.
Meiner Ansicht nach gab es ausreichend Sprecher, die interessant und vor allem „anders“ genug waren, um sich näher mit dem Programm zu befassen – sofern medienpolitische Grundlagen für das eigene Tun entsprechend relevant sind. Schließlich handelt es sich doch hier nicht um einen Techevent. Esra’a Al-Shafei etwa war die Richtige zum richtigen Zeitpunkt, auch wenn sie vor der nordafrikanischen Demokratisierungsbewegung schon einmal bei der re:publica aufgelaufen ist. Kevin Slavin mit seinem Social TV Vorhaben, das bei der NEXT nahezu unerwähnt blieb, Stefana Broadbent, die den Einfluss neuer Kommunikationsmöglichkeiten auf persönliche Beziehungen und Arbeitswelt aufzeigt und – last but not least – Margrét Tryggvadóttir, die gemeinsam mit Wikileaks-Aktivisten an einem modernen Mediengesetz arbeitet (dazu bald mehr hier auf dem Blog).
Wie groß der Widerhall seriös aufbereiteter Informationen bei klassischen Medienmachern in diesem Umfeld sein kann, habe ich selbst durch Moderationen und Podiumsteilnahmen erfahren. Jörn Sieveneck hat im letzten Jahr einen Workshop für Social Media Novizen abgehalten – mit enormem Zuspruch. Daniel Fiene ist das gleiche in diesem Jahr unter dem Label „Social Radio“ gelungen. Es bewegt sich was. Nicht schnell genug. Mag sein. Es wird aber auch nicht schneller, wenn immer wieder Richtung klassische Medien gekeilt wird statt aufzuklären und anzuschieben.
Lesenswertes zum Medienforum:
- Wie der digitale Wandel das Medienforum spaltete (beides auf wasmitmedien.de)