16. Dezember 2008

Glückwunschometer

Ja, es stimmt. Es war nicht einfach, mich gestern zu erreichen. Und: Ja, es stimmt. Ich habe trotz Geburtstag gearbeitet und noch bis spät in den Abend einen Workshop bei einem Kunden begleitet. Aber: Das konnte und sollte niemanden daran hindern, mir zum Geburtstag zu gratulieren. Ich neige zwar nicht zum Revanchismus, aber natürlich habe ich mir die Namen derjenigen gemerkt, die mich gestern vergessen haben. Matthias, Bernd, Frank, Birgit, Ralf, Brigitte, Anja, Onkel Jochen und all ihr anderen – die Einladung zum 40sten im nächsten Jahr muss ich mir nochmal genau überlegen.

Kundenbindung wird im Web klein geschrieben

Für mich war der gestrige Tag aber vor allem ein echter Lackmußtest in Sachen Kommunikationsformen und Geburtstagsgrüße. Das Positive vorweg: Ich habe keine (!) eCard bekommen. Das ist schön. Ich habe den Sinn dieses „interaktiven Services“ eh nie verstanden. Auch die Anzahl der automatisierten Geburtstagswünsche hielt sich mit gerade mal zwei E-Mails in Grenzen. Das kann zum Einen daran liegen, dass ich mit meinen persönlichen Daten nicht allzu freigiebig bin, wenn es um Registrierungen geht – das ist gut. Zum Anderen mag das aber auch schlicht daran gelegen haben, dass Kundenbindung (außer bei Xing) für viele Webangebote und die Betreiber derselben, noch kein wirkliches Thema ist – das ist schlecht.

Hier die Auswertung der individuellen (wenn auch zum Teil mehr als wortkargen) Geburtstagswünsche. Mein persönliches Glückwunschometer:

  • 1. Telefon (20 Anrufe Festnetz und Mobil)
  • 2. E-Mail (16 teils sehr individuelle elektronische Briefchen)

  • 3. Xing (15 Kontakte)
  • 4. Persönlich (14 Mal Hände schütteln)

  • 5. Twitter (8 Mal 140 Zeichen)
  • 6. Skype (4 Instant Messages)

  • 7. Facebook (2 Pinwand-Einträge)
  • 8. SMS (1 Mal)

Zugegeben: Es war ein Montag. An einem Wochenende wäre die Bilanz sicher ganz anders ausgefallen. Aber dennoch: Insgesamt 80 Reaktionen (ohne Ego-Marketing), davon rund 60 außerfamiliär, das ist so schlecht nicht. Wie aber steht es um die Mediennutzung meines persönlichen Umfelds? Wie fortschrittlich resp. konservativ ticken Familie und Freunde, wenn der Adressat ihrer Wünsche mal nicht so einfach zu erreichen ist. Die Mehrheit (56,25 Prozent oder 45 Kontakte) haben sich für Online entschieden, 43,75 Prozent Offline (35 Kontakte). Zugegebenermaßen wäre ich auch erstaunt gewesen, wenn die eigene Familie und mein Office mich angetwittert hätten anstatt mir die Hand zu schütteln. Interessant aber finde ich, dass sich hiervon „nur“ rund ein Drittel (35,6 Prozent) mit der E-Mail für ein waschechtes Web1.0- Tool entschieden hat, ein weiteres Drittel (33,3 Prozent) hat sich mit Xing für Web1.5 entschieden und ein weiteres knappes Drittel (31,1 Prozent) hat die Web2.0-Wege für angemessen gehalten.

Wie aber kommt das Ganze beim Empfänger, also mir, an. Twitter und Skype haben mich am schnellsten erreicht und waren auch am schnellsten wieder vorbei. Der überwiegende Teil der Xing-Gratulationen war lieblos und mehr Pflichterfüllung denn Ernst gemeinte Glückwunschadresse. Hier darf der psychologische Effekt nicht unterschätzt werden. Einerseits erwartet man unter Umständen selbst aufgrund der Geburtstagserinnerungsfunktion den einen oder anderen Glückwunsch (auch durch mich), also fühlt man sich bewogen selbst auch aktiv zu werden. Andererseits weiß der Absender, dass es unter Umständen durchaus so gewollt ist, dass ich mein Geburtsdatum aus genau diesem Grund meinen Kontakten freigeschaltet habe. Welchen Grund sollte es auch sonst geben? Ich sehe keinen und um ehrlich zu sein, habe ich hier natürlich auf die Zusendung von Präsenten gebaut. So kann man sich täuschen. Ich vertröste mich auf Weihnachten. Unter dem Strich ist Xing in diesem Fall aber eher kontraproduktiv gewesen, da ich das Gefühl nicht loswerde, dass meine Antworten individueller und umfangreicher ausgefallen sind, als die ursprünglichen Glückwünsche.

Echte Nähe schaffen statt hingewursteltem eMail-Glückwunsch

Am meisten habe ich mich aber über Telefonate (und wenn es auch nur ein paar nette Worte auf der Mailbox in Folge meiner physischen Nichtverfügbarkeit waren) sowie – wie kann es anders sein – über die persönlich ausgehändigten Glückwünsche und Gaben gefreut. Das zeigt, was Empfänger überall auf der Welt erwarten (dürfen): Ein paar persönliche Worte zum richtigen Zeitpunkt, „alte Schule“ eben. Selbst der Anruf meines Schwagers um beinahe 23 Uhr hat mein Herz erfreut. Kein Internet dieser Welt (contradictio in adiecto, schließlich gibt es nur ein WWW) kann soviel Nähe schaffen. Ich hoffe, dass wir alle daran denken, wenn es Zeit für die Weihnachtsgrüße ist. Eine allgemeine Weihnachts-eMail werde ich mir dieses Jahr auf jeden Fall „schenken“.

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