Der „Veranstaltungsmarathon“ ist vorbei. Die erste Hälfte des Junis stand ganz im Zeichen diverser Großveranstaltungen der Medien- und Internsteszene. Unter dem Strich waren alle erfolgreich und haben – was nicht immer der Fall ist – auch Erkenntnisgewinne gebracht.
Die Interact 2008 war als europäischer IAB-Kongress sicher die internationalste aller Veranstaltungen – sowohl was die Speaker als auch was das Publikum angeht. Die Bemühungen Kampagnen zu internationalisieren werden sicher weiter vorangetrieben, wenngleich es sicher noch einiges an Mühen und Zeit kosten dürfte zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen. Netzwerk-Agenturen sind hier sicher im Vorteil, daher kann es kaum überraschen, dass Norm Johnston (als Mindshare-CEO Teil der WPP-Gruppe) das Ganze am positivsten beurteilt. Ich hatte bei der Interact das seltene Vergnügen, fast alle Speaker im Anschluss persönlich interviewen zu dürfen. Das Ergebnis wird in Kürze auf der Kongress-Website zu sehen sein. Leider hatte ich keine Chance, Dr. Andreas Wiele (Vorstand der Axel Springer AG) zu seinem Vortrag zu befragen. Allein die Tatsache, dass ein ausgewiesener Zeitungsmann dem Internet eine derart rosarote Zukunft malt, spricht für sich. Ansonsten nehme ich von diesem Event vor allem die ungetrübte Aufbruchstimmung unsere östlichen Nachbarländer (insbesondere Polen) mit. Sie alle profitieren von den Learnings, die der westeuropäische Markt vor allem auch während der Konsolidierung machen musste. Der Markt wächst rasant, ohne dabei vergleichbare Fehler zu machen. Letztlich aber wird sich auch hier zeigen müssen, wie es um die werbliche Monetarisierung der großen Social Networks steht. Wer Jay Stevens (MySpace) sehen konnte, hat sicher nicht nur festgestellt, wie sehr der Hype um die Networks erste Spuren von Müdigkeit in seinem Gesicht hinterlassen hat. Am Ende des routinierten Vortrags habe ich mich sicher nicht allein gefragt, ob die Zukunft der Networks wirklich in angepassten Werbeerlösmodellen zu suchen ist. Es bleibt spannend. Die Interact ist in jedem Fall ein echter Gewinn für die europäische Kongresslandschaft, bietet sie doch einen länderübergreifenden und fokussierten Dialog und Erfahrungsaustausch. Das medienforum.nrw kann das so jedenfalls nicht für sich in Anspruch nehmen.
Wie schon in den letzten Jahren habe ich mir die ersten, klassisch und auch politisch geprägten Tage des medienforum.nrw geschenkt. Sowohl Print als auch TV und Radio diskutieren seit Jahren auf vergleichsweise abstraktem Niveau die ähnlichen Themen. Wirkliche Spannung habe ich mir vom dritten Tag (Konvergenzkongress und Mobile Media Summit) versprochen – nicht zuletzt, weil ich an der Themenauswahl und der Besetzung der Panels beteiligt war;-). Die Zukunft der Suche, das neue Interaktionsdesign, das Web 2.0 für die Hosentasche – spannende Themen, viele Fragen, wenige eindeutige Antworten. Es scheint im Trend zu liegen, sich mit Prognosen nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Dabei ist es genau das, was die Autoren des Cluetrain Manifests seinerzeit ausgezeichnet hat und ihnen heute ungeteilte Popularität verschafft.
Bemerkenswert souverän haben sich die Google – und Yahoo-Vertreter zum Thema Semantic Search geäußert. Für mich grenzt diese Souveränität an Arroganz, denn die Qualität der Suchtreffer hat bei den Suchmaschinen meines Erachtens nicht zugelegt. Die – zugegebenermaßen – nicht ganz neue Idee, jenseits von Algorithmen auch auf die Schwarmintelligenz der User zu setzen („Oneview“, die „menschliche“ Suchmaschine von denkwerk hat das schon Ende der Neunziger allerdings ohne die dafür notwendige Reichweite verfolgt), scheint mir auf Dauer vielversprechender zu sein. Umso erfreulicher, dass nicht nur del.icio.us oder digg.com, sondern mit Mr. Wong auch ein deutsches Produkt, dieses Ziel verfolgt. Solange das Jimmi Wales-Produkt Wikia Search mit einem derart überforderten und blassen Country Manager zu Werke geht, wie beim medienforum-Panel beobachtet, wird diesen Versuch hierzulande kaum jemand richtig Ernst nehmen können. Möglichereise ist das auch der Grund dafür, dass man ihn auf den Webseiten der Wikia Search nicht finden kann.
Inwieweit das Web 2.0 bereits auf das Interaktionsdesign strahlt, konnte nicht nur das medienforum-Panel deutlich machen, auch ein Blick auf die Shortlist zum Deutschen Multimedia Award 2008 macht das deutlich (Telekom-Intranet, küchengötter.de, WatchBerlin oder Du bist Deutschland sind nur ein paar Beispiele). Zum derzeit omnipräsenten Thema Mobile gibt es nicht viel zu sagen, außer: Es rockt! Laut, bunt, mitreißend – so kommen die Präsentationen und Vorträge in Sachen Mobile Marketing, Mobile Entertainment etc. daher – entscheidende Antworten zur Akzeptanz von Mobile Advertising und zur Refinanzierung von Mobile Services lassen sie allerdings noch viel zu oft offen. Vielleicht ändert sich daran ja etwas bis zur online-marketing-düsseldorf im September.
Der DMMK Digitale Wirtschaft ist und bleibt das Familientreffen der Branche. Das veränderte Konzept konnte diesem Umstand einmal mehr Rechnung tragen. Zwei Abende zum Networking, Warm-Up mit David Weinberger, der am Kongresstag mit einer Hammer-Keynote aufwarten konnte, gute Diskussionen und die derzeit wohl wichtigsten Trends (vor allem Targeting, IPTV/Web-TV, Communities und natürlich Mobile) haben die Erwartungen erfüllt. Enttäuscht war ich von der „Keynote“ von Judy Balint, deren werbliche Präsentation diese Bezeichnung nicht wirklich verdient. Schade. Sie hat hier eine echte Chance vertan, sich zu zentralen Fragen (Datenschutz und Privatsphäre, alternative Monetarisierungsansätze) klar zu positionieren. Der Bezug zu Moli.com war in dieser Deutlichkeit übertrieben und völlig überflüssig. Insbesondere der Ansatz, alle Profile und personenbezogenen Online-Services (wie interaktive Kalender etc.) auf einer Plattform zu bündeln und zu managen („Control your Privacy“ -der Moli-Claim macht deutlich, worum es dabei geht), ist in meinen Augen so stark, dass man diesen Aspekt klar in den Mittelpunkt hätte stellen sollen. Dass Small Businesses (Freelancer und Kleinunternehmen) aufgrund ihrer Flexibilität zudem in die Lage versetzt werden, ihr Business auszubauen und in den Wettbewerb mit den „big boys“ zu treten, wäre der zweite Punkt gewesen, der auf wesentlich allgemeingültigerem Fundament keynote-würdig war. Schade. So werden die Veranstalter sicher reagieren und künftig, Präsentationen vorab einfordern und im Zweifel kommentieren. Im Fall von David Weinberger wäre das ganz sicher nicht nötig gewesen. Seine Botschaft beim DMMK ist mir einen eigenen Beitrag Wert. Allein für ihn hat sich der Ausflug nach Berlin für viele gelohnt. Zur Verleihung des DMMA gibt es nur soviel zu sagen: Oliver Welke kann die Moderation gern die nächsten fünf Jahre übernehmen, Rahmen und Ablauf sind allerdings renovierungsbedürftig, Aber auch das ist den Veranstaltern glücklicherweise klar.