Der August neigt sich dem Ende und damit die Sommerflaute in der Veranstaltungslandschaft. Die wenigen Ausnahmen, auf die ich zu Beginn dieses Blogposts kurz eingehen werde, bilden hierbei definitiv die Ausnahme. Die nachstehende Aufzählung von Konferenzen, Kongressen, Messen oder Campformaten ist rein subjektiv. Aber: Ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viele Veranstaltungen der digitalen Wirtschaft besucht. Meine Auswahl sollte daher hoffentlich die richtige Mischung an Know-How Transfer, Innovation und Kontaktqualität haben. Im Zweifel aber gilt natürlich immer: „Am besten: selber testen!“ Oder wie man in westfälischen Breitengraden mitunter sagt: „Versuch macht kluch!“
Juli und August
Das Angebot ist urlaubszeitbedingt in diesen beiden Monaten recht überschaubar. Selbst die meisten After-Work-Formate, die eine Erwähnung Wert wären, pausieren in diesen beiden Monaten. Lediglich das Tech Open Air (TOA) in Berlin ist einen genaueren Blick Wert. Ob es zu den wichtigsten Tech-Events, oder gar das „leading interdisciplinary technology festival“ (Eigenbeschreibung), in Europa ist, sei dahingestellt. In jedem empfiehlt sich schon allein aufgrund der Open Air Atmosphäre, die es so bei keinem anderen Event (mehr) gibt, ein Besuch. Eine Fülle an Start-Ups sollten letztlich für das nötige Maß an Inspiration sorgen. Ob das TOA seinen Stellenwert ausbauen kann oder angesichts der wirklich neuen CeBIT, die im Juni 2018 stattfindet, vielleicht an Stahlkraft verliert, bleibt abzuwarten.
Wer den Rummel mag, den zieht es im August zur Gamescom. Zwar können Besucher sich hier tatsächlich einen guten Überblick über den technologischen und grafischen State-of-the-Art verschaffen. Das gilt jedoch nur, wenn man es schafft, die überbordenden Reize und die mehr als 350.000 anderen Besucher weitestgehend zu ignorieren. Kleiner, feiner und fokussierter geht es bei der Growth Marketing Summit in Frankfurt zu. Hier dreht sich alles um die Themen Optimierung und Conversion. Das Programm jedenfalls ist sehr gewissenhaft zusammen gestellt.
September
Ganz egal, welchen Wandkalender der unterschiedlichen Digital-, Marketing- und Werbefachmedien man aufhängt, die dmexco in Köln ist ein Fixpunkt. Es ist kein großes Geheimnis, dass ich mit dem Messetreiben seit Jahren auf Kriegsfuß stehe und doch bin ich nahezu jedes Jahr dort Gast. Es ist der Almauftrieb der digitalen Marketingbranche. Und genauso fühlt sich das dann eben auch an: Buzzwords, Lautstärke, Teilnehmer in den Gängen und vor den Veranstaltungsspots – all das kann schnell ermüdend wirken und auf weniger Digitalerfahrene desorientierend. Dass sich in der Vergangenheit vermehrt Orientierungslose und Novizen unter die zuletzt rund 50.000 Besucher gemischt haben, haben die Veranstalter mit einem 2017 erstmals erhobenen Ticketpreis von 99 Euro gekontert. Der ursprünglich als Frühbuchertarif vorgesehene Ticketpreis, der eigentlich in den Wochen vor Messestart auf bis zu 399 Euro steigen sollte, wurde inzwischen zum regulären Preis deklariert. Möglicherweise haben die Veranstalter angesichts eineszu erwartenden Besucherschwundes doch die Reissleine gezogen?!
Wie auch immer: Wer es schafft, frühzeitig Termine zu vereinbaren (und ein Hotelzimmer zu ergattern) oder mit etwas Glück auch die in der Regel heillos überfüllten Konferenzangebote wahrzunehmen, der kann die dmexco zur Orientierung in Sachen Marketing und Werbung über digitale Kanäle für sich nutzen. Alternativ kann das auch bei einem der zahlreichen Pre-Events am Vortag oder den Parties am Abend nachgeholt werden. Ich persönlich stehe mit der Veranstaltung ein wenig auf Kriegsfuß: zu laut, zu bunt, zu geschäftsmäßig. Mir fehlt hier die nüchterne Einordnung der Trends und Entwicklungen, was bei einer Vermarkter dominierten Veranstaltung allerdings auch nicht unbedingt zu erwarten ist. Hilfreich wäre es allerdings, wenn es den Besuchern möglich wäre sich komprimiert zu einzelnen Disziplinen zu informieren. Die teils wahllose Anordnung der Aussteller steht diesem Ansinnen mitunter leider im Weg.
Zu den spannenden Veranstaltungen im September zählt auch die IFA in Berlin. Wer verstehen möchte, wie sich der Bereich Consumer Electronics gewandelt hat, der muss nur einen Blick auf die Ausstellerlisten in den 1980er Jahren und heute werfen. Inzwischen sind es die großen Hardware-, Mobilgeräte-, Konsolen- und Software-Produzenten, die das Bild prägen. Ein Blick in die Zukunft ist hier problemlos möglich. Die IFA hat sich ein wenig zum spätsommerlichen Pendant des Mobile World Congress‚ in Barcelona entwickelt.
Die Start-Up-Szene blickt Anfang September zur hochkarätig besetzten NKF Summit nach Berlin („Corporates meet Startups“) und zur Pirate Summit nach Köln, nach eigenen Worten „Europe’s craziest Startup Conference“. Um das zu überprüfen bedarf es allerdings einer Einladung zur „Invitation-Only“-Veranstaltung. Zu einem zunehmend interessanten Hotspot der Digitalszene hat sich dank des Reeperbahnfestivals Hamburg entwickelt. Neben dem Anchorevent, der NEXT Conference, gibt es hier eine große Bandbreite an unterschiedlichen Veranstaltungsformaten mit Digitalbezug. Aufgrund der Vielfalt, mit der die Bedürfnisse von Besuchern aus unterschiedlichen Disziplinen und mit verschiedenem „Reifegrad“ in punkto digitale Technologien bedient werden, ist das Reeperbahnfestival mein Tipp des Monats. Wer danach immer noch nicht genug hat, der sollte den September mit dem Besuch der Bits & Pretzels in München abschließen. In nur vier Jahren ist es gelungen auch dank prominenter Sprecher rund 5.000 Startup-Enthusiasten in die „Weltstadt mit Herz“ zu locken. Inwieweit das auch damit zu tun hat, dass die dreitägige Veranstaltung auf dem Oktoberfest ausklingt, ist nicht überliefert.
Mein persönliches Highlight aber bleibt die Ideenkonferenz TEDxMünster. Kann sich jemand ein besseres Event vorstellen als das, bei dem er selbst mitentscheidet, wer auf die Bühne kommt? Wohl kaum. Das Credo der Macher (Full Disclosure: zu denen ich gehöre) ist es, Ideen auszuwählen, die das Potential haben unsere Zukunft positiv zu verändern. Mehr geht nicht. Dabei ist nicht entscheidend, wie prominent jemand bereits in Erscheinung getreten ist, es geht ausschließlich um die Idee. Einschränkend sei hinzugefügt, dass das Programm nur zum Teil digitale Themen integriert, daher ist es auch nicht mein Tipp des Monats – aber eine Empfehlung, die ich sehr ans Herz legen möchte 😉
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Oktober
Apropos Oktober. Hier findet mit der neocom eine der wichtigsten E-Commerce Konferenzen statt. Im Gegensatz zum Deutschen Handelskongress ist die neocom weniger politisch, weniger steif und meiner Meinung nach zukunftsgewandter, wenn es um die Integration von Technologie geht. Ähnliches verspricht der von der Messe im Frühjahr losgelöste Internet World Kongress in München.
Weitere Schwergewichte, die je nach Branchenzugehörigkeit ein Muss sind, sind die Internationale Buchmesse in Frankfurt und die Medientage München. Beiden fällt es allerdings mitunter schwer, sich von Lobbyzwängen frei zu machen. Das schlägt sich im Programmangebot dann leider wieder.
Zu den – je nach persönlichen Vorlieben – spannenderen Formaten zählen meiner Meinung nach die Social Media Conference (Hamburg), die Startup-Con (Köln), die Content-World (Hamburg) und die AllFacebook Marketing Conference (Berlin), die – anders als es der Titel zunächst vermuten lässt, das gesamte Social Media Marketing Spektrum zum Inhalt hat. Bei allen genannten Events geht es überwiegend bis ausschließlich um digitale Themen. Gleiches gilt für das Ada Lovelace Festival in Berlin. Der ungewöhnliche Name stammt von der im 19. Jahrhundert lebenden Countess of Lovelace, die das erste Computerprogramm überhaupt entwickelt hat. Es hat einer von Frauen für Frauen konzipierten Veranstaltung bedurft, auch mir klar zu machen, dass die ersten Programmiersprachen von einer Frau entwickelt wurden. Der Veranstaltung geht es vor allem darum „Women in Computing & Technology“ zu vernetzen.
Mein Tipp des Monats aber ist die UBX Konferenz in München. Sie entspricht nicht nur meinem Querdenkergen, sondern zeigt letztlich vor allem, wie digitale Technologien in einer duschoptimierten Werbe- und Marketingwelt wirklich sinnvoll zur Lösung von Alltagsproblemen der Markenzielgruppen eingesetzt werden können. UBX steht dabei für „Useful Brand Experience“. Die Konferenz hat sich auf Betreiben von Ralf Heller (virtual identity) zur Aufgabe gemacht, nützliche Markenerfahrungen auf Basis digitaler Technologien zu thematisieren. Dazu gibt es visionäre Vorträge, praxisnahe Experimente in sogenannten „Breakout Sessions“ und viele Fallbeispiele, von denen sich Marketeers und Werbungsreibende inspirieren lassen dürfen. Um die richtigen Teilnehmer mit diesem Mindset zu erreichen, ist die UBX Konferenz eine „Invitation-Only“-Veranstaltung.
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November
Im November finden mit dem Deutschen Handelskongress (plus Retail World) und Deutschem Marketingtag zwei etablierte Events statt. Vor allem der Handelskongress richtet sich als Hauptstadtveranstaltung in Format und Ansprache an etablierte Unternehmen und traditionellere Branchenvertreter. Hier darf auch die politische Komponente darf auf der Bühne nicht fehlen. Der Marketingtag, der 2017 in Frankfurt stattfindet, hat sich schrittweise von dieser Attitüde emanzipiert und wirkt heute innovativer und praxisnäher als früher. Luft nach oben gibt es aber zweifelsohne immer noch.
Einen genaueren Blick lohnen die beiden EHI-Formate im November: die EHI-Technologietage und das EHI-Marketingforum. Beide sind zwar spitzer, aber in ihrem Programmangebot dafür sehr hochwertig. Wer sich in elitäreren Kreisen wohler fühlt, darf sich zum Querdenker-Kongress nach München gezogen fühlen. Mit Teilnahmegebühren jenseits der 1.500 Euro wird die Veranstaltung 2017 allerdings ohne mich stattfinden, obwohl die thematische Zusammenstellung und das Format in der Tat vielversprechend sind. Thematisch eingegrenzter geht es der Data Driven Marketing Conference und der W&V Marketing Convention (Schwerpunkt Digitales Marketing für den Mittelstand) in München sowie der „Digital Growth Unleashed“ zu. Letztere ist die neu benannte Conversion Conference. Offenbar ist den Veranstaltern ein „entfesseltes digitales Wachstum“ (so die direkte Übersetzung) ab 2017 wichtiger als die Beschränkung auf die Conversion. Das Programm liest sich spannend und bietet eine breite Palette von Content, CRM, Marketing über Analytics, Storytelling bis zur Leadgenerierung mit internationalen Sprechern und nationalen Cases.
Mein Tipp des Monats aber ist die hub.berlin. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, Technologie im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ zu machen. Dabei treffen „digital Movers und Makers“ aufeinander. Und das stimmt: Denn neben DAX-Konzernen und klassischen Corporates finden sich auch zahlreiche Impulsgeber im Line-Up. Zudem finden am Vortag mit der Virtual Reality und der Digital Mobility Conference zwei Satelliten-Events statt, die das Programm abrunden.
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Ich selbst bevorzuge übrigens die Web Summit in Lissabon. Da es in diesem Post aber nur um die deutschen Konferenzen und Veranstaltungen gehen soll, arbeite ich die internationalen Events in einem eigenen Blogpost ab.
Dezember
So anstrengend der Veranstaltungsmarathon zwischen September und November war, so beschaulich geht es im Dezember zu. Außer dem Monitoring Forum, bei dem es vor allem auch um Social Media Analytics und die entsprechenden Learnings geht, taucht in meinem Kalender nichts weiter auf. Für einen Tipp des Monats reicht das angesichts des konkurrenzlosen Daseins dann auch nicht. Dieser ist eher, sich frühzeitig mit den Events für 2018 auseinanderzusetzen. Entsprechende Aktualisierungen der bereits erschienen Blogposts sollten bis dato fertig sein. So oder so dienen sie aber hoffentlich als gute Orientierung durch das Dickicht der unübersichtlichen Veranstaltungskalender in Digitalien.
Hinweis: Anregungen zu Veranstaltungen, die vergessen, übersehen oder ungerechtfertigterweise in der Übersicht nicht auftauchen, können gern in den Kommentaren ergänzt werden. Ich werde diese für 2018 wohlwollend checken.