7. April 2009

Online Reputation Missmanagement oder das Internet ist ein Elefant

Unglückliche Kommunikation eines laut Selbstbeschreibung vermeintlichen Netzwerks für Online Reputation Managament.

Es sah nach einem nachrichtenarmen Tag aus. „Burda stellt Amica ein“ – das war noch die spektakulärste Meldung des Tages. Was sich wie eine Personalmeldung liest, war jedoch keine, viel mehr handelte es sich um ein weiteres Opfer des vielzitierten (und z.T. heraufbeschworenen) Printsterbens. Und doch kam dann durch die Hintertür noch eine Personalmeldung, die aufhorchen ließ. Weniger weil sie inhaltlich Spektakuläres zu bieten hat, eher wegen des, sagen wir mal unüblichen Stils – und vor allem wegen des Absenders der Mitteilung, handelt es sich doch bei myON-ID um ein selbsternanntes Netzwerk für Online Identity und Reputation Management. Nach der heutigen Meldung darf die einschlägige Kompetenz hingegen in Frage gestellt werden. Hier die Original-Personalmeldung (kein Auszug, kein Teaser, sondern tatsächlich der vollständige Text!) aus dem Unternehmensblog:

myON-ID trennt sich von Sebastian Küpers
7. April 2009 um 1:39 von Mario Grobholz

myON-ID beendet mit sofortiger Wirkung jegliche Zusammenarbeit mit Sebastian Küpers. Christian Sigl führt die Tätigkeiten im Bereich OpenWeb fort.

Die myON-ID Geschäftsführung

Im Grunde – das ist auch für den hartnäckigsten Laien offensichtlich – steht das eigentlich Interessante hier zwischen den Zeilen. Versuchen wir es mal mit den klassichen W-Fragen: Wer? Was? Wann? Wo? Warum? Die ersten vier Fragen kann man aus der Twitter-artigen Pressemitteilung noch mehr oder weniger herleiten, allein die letzte und offenbar entscheidende Frage bleibt offen. Wie sich aus den Kommentaren erschließt, scheinbar mit Absicht. Macht es das besser? Nein! Man halte sich kurz vor Augen, welchen Zweck PR erfüllt – und zwar unabhängig ob 1.0 oder 2.0: Es geht im Kern darum, die anvisierten (Teil-)Öffentlichkeit(en) zu informieren. Ein Versatzstück, das bewusst Spekulationen ins Kraut schießen lässt und unverhohlen Groll durchschimmern lässt, kann daher nicht darunter fallen. 

Um die ganze, unerfreuliche Geschichte auch noch richtig zu verlängern, wählte myON-ID dann auch noch den völlig überflüssigen Weg, die News zu twittern, um weitere (Teil-)Öffentlichkeit(en) mit nichts zu informieren. Warum? Schon klar, es hat Krach gegeben und man hat sich offenbar in einseitigem Einvernehmen getrennt. Aber deswegen gleich die fragmentierte Öffentlichkeit verwirren und den Transparenzgrundsatz der Social Media Afficionados verletzen? Nein. Es sei denn – und das kann ich mir fast nicht anders erklären – myON-ID sucht die negative Beweisführung des Online Reputation Managements. Oder anders formuliert: Die Beweisführung für Online Reputation Missmanagament 

Allerdings steht viel mehr zu fürchten, dass diese Episode als Lehrstück für unsouveräne PR via Social Media in den nächsten Wochen strapaziert wird. Auch in Sachen Suchmaschinen-Optimierung werden die Kollegen in den kommenden Tagen einiges dazu lernen – vorausgesetzt, sie haben mit ihrem Blogbeitrag und dem Tweet auch ihre Zielgruppen erreicht. Eine positive Resonanz, die sich dann entsprechend bei der Suche nach myON-ID in den Google-Trefferlisten (aktuell erst auf Seite 4, ab morgen ganz sicher sehr weit vorn;-) niederschlägt, dürfte es wohl kaum geben. Das deutet sich bereits in diesem vergleichsweise frühen Stadium an. Wir sind gespannt, wie die Experten in Sachen Online Reputation Management ihren Ruf als entspannter Arbeitgeber wieder herstellen werden. Eine sagenhafte Chance, den Kompetenznachweis zu liefern!

Beim nächsten ähnlich gelagerten Fall empfehle ich die strikte Einhaltung der Checkliste „Personalmeldungen für Anfänger“:

  1. Schreiben Sie über Einstellungen („Neue Besen kehren gut!“), nicht über Entlassungen.
  2. Gibt es Ärger mit Mitarbeitern, atmen Sie tief durch und zählen Sie laut bis 100 (in Extremfällen bis 1.000 – kommt auch schon mal vor, auch ich habe Mitarbeiter – und zwar gute, sonst hätte ich sie nicht eingestellt)
  3. Ist der Ärger immer noch nicht verflogen, reagieren Sie sich mit dem PC-Spiel Miss Management ab, bevor Sie einen dummen Fehler begehen.
  4. Sollten Sie dennoch den Drang verspüren, unbedingt öffentlich darüber informieren zu wollen, suchen Sie nach einer einvernehmlichen Lösung – das lässt Sie im Licht der Öffentlichkeit bei möglichen Anfeindungen seitens des ehemaligen Mitarbeiters positiv und souverän erscheinen. Und zwar dauerhaft, denn das Internet ist ein Elefant – es vergisst nichts!
  5. Sollten Sie sich für 1. bis 4. nicht interessieren und stattdessen lieber eine unverständliche Kurzmeldung verbreiten, wundern Sie sich nicht über negative Reaktionen, massenhaftes Entfollowen in Twitter und vor allem: Rechtfertigen Sie sich nicht, Sie haben es selbst so gewollt! Wer nachtritt, wird bestraft!

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Update: 

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Mir steht es überhaupt nicht zu, die Trennung eines Unternehmens von seinem Mitarbeiter zu bewerten. Da mein Kerngeschäft die Kommunikation ist, im Besonderen die webbasierte Kommunikation, nehme ich mir aber die Freiheit, Veröffentlichungen zu beurteilen, die ganz offensichtlich ihren Zweck nicht erfüllen. Es gibt tatsächlich – nicht zuletzt auch arbeitsrechtlich gesehen – gute Gründe, fristlose Kündigungen nicht weiter zu kommentieren. Ich stelle mir jedoch die Frage, ob dann der Weg, der hier gewählt wurde, tatsächlich der richtige ist.  Auch die Web 2.0-Sphäre kann schlechte Nachrichten verkraften und angesichts einiger Geschäftsmodelle scheint es mir tatsächlich an der Zeit, dass man sich hier langsam daran gewöhnt, dass 2009 noch einige negative Schlagzeilen produzieren wird. Traurig, aber wahr.

Nochmal: Mir geht es einzig und allein um die Art der Kommunikation. Und dabei lasse ich auch nicht gelten, dass ein „Stück weit“ Informationen verbreitet werden und den Rest soll man gefälligst beim Absender einfordern. Warum? Zuguterletzt bricht sich auch niemand einen Zacken aus der Krone, Fehler einzugestehen – das ist nur menschlich. Und ich zumindest hatte gehofft, dass uns die Dialogfähigkeit der Online-Medien in die Lage versetzt, offener und ehrlicher miteinander umzugehen. Dazu gehört m.E. auch, dass die Kernfunktion eines Blogs, Diskussionen zuzulassen nicht einfach deaktiviert wird. Auch das kann man nutzen, um die eigene Sichtweise zu begründen oder im Bedarfsfalle auch mal zu überdenken. Dafür ist es nie zu spät.

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