13. Mai 2025

OMR 2025: Warum ich trotz Buzzword-Bingo immer wieder nach Hamburg fahre

OMR 2025

Der Hamburger Rockstar-Zirkus ist vorbei. Nach zwei intensiven Tagen auf der OMR 2025 steht für mich fest: Die inhaltliche Tiefe der Vorträge überzeugt mich auch in diesem Jahr nicht. Für Schulterklopfen und Buzzword-Bingo fahre ich nicht nach Hamburg. Die persönlichen Gespräche sind allerdings wirklich gut und der Grund, warum es sich auch dieses Jahr wieder gelohnt vor Ort zu sein. 

Die Enttäuschung: Glänzende Fassaden, wenig Substanz

Mit 67.000 Besucher:innen, 800 Speaker:innen und 1.000 Ausstellenden präsentiert sich die OMR als beeindruckende Plattform. Doch hinter diesen imposanten Zahlen verbirgt sich ein bekanntes Problem: Viele Vorträge kratzen nur an der Oberfläche. Statt praxisnaher Insights und tiefgreifender Analysen dominieren Selbstinszenierung und oberflächliche Präsentationen. 

Die großen Namen recyceln oft Inhalte aus den Vorjahren und verpacken sie in wohlklingende Marketing-Buzzwords. Konkrete Anwendungsbeispiele oder ehrliche Einblicke in gescheiterte Projekte? Fehlanzeige. Diese Kritik teile ich mit vielen Branchenkolleg:innen, die sich mehr Substanz wünschen würden. 

Die Highlights: Wo echter Austausch stattfindet

Ein persönliches Highlight war meine eigene Guided Tour zum Thema „KI als Effizienzbooster für Content, Distribution und Performance“. Mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz im Marketing hat sich die Tool-Landschaft explosionsartig entwickelt. Gefühlt entstehen täglich neue Anwendungen – die Auswahl scheint endlos.

In unserer Session diskutierten wir die entscheidenden Fragen: Welche Technologien lohnen sich wirklich? Welche Tools lassen sich im Bereich Content, Distribution und Performance sinnvoll miteinander verzahnen, sodass ein reibungsloser Workflow entsteht? Und wie intuitiv sind sie tatsächlich in der Anwendung?

Linus Kurtenbach - Guided Tour PR, Content und KI bei der OMR


Die Teilnehmer:innen brachten konkrete Herausforderungen mit. Gemeinsam entwickelten wir Lösungsansätze und tauschten Best Practices aus – genau diese Art von praxisnahem Dialog vermisse ich auf den großen Bühnen.

Die PR-Zukunft: Qualität und Vertrauen im KI-Zeitalter

Ein zentrales Diskussionsthema war die Transformation der Kommunikationsbranche im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Dabei wurde deutlich: Marken und Unternehmen sind gut beraten, auf Basis ihrer Markenidentität seriös, glaubwürdig und mit echter Expertise über Sachthemen zu kommunizieren – und dabei auf vertrauenswürdige Quellen zu setzen.

OMR 2025 - Semrush Vortrag


Nick Turley, Head of Product bei ChatGPT, brachte es auf den Punkt: „High quality content matters more than ever“. Seine Aussage bezog sich darauf, was notwendig ist, um von KI-Systemen als relevante Quelle erkannt zu werden. Hochwertige Pressearbeit mit inhaltlicher Tiefe und Breite ist dafür unerlässlich.

Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen: In einer Welt, in der KI-Systeme Informationen aggregieren und verarbeiten, wird die Qualität der ursprünglichen Inhalte zum entscheidenden Faktor. Oberflächliche oder immer weiter atomisierte Inhalte verlieren an Reichweite und Relevanz.

KI in der PR-Praxis: Wie wir unsere Arbeit neu denken

Die zentrale Frage lautet: Wie kann KI unsere Arbeit konkret bereichern? Wir haben jetzt die Technologien, um unsere Arbeit völlig anders aufzubauen. Prozesse lassen sich effizienter gestalten, wodurch wieder mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben bleibt. Damit das gelingt, muss die Brücke zwischen Technologie und Mensch geschlagen werden.

In unserer Agentur ist KI eine zentrale Säule der Unternehmensstrategie. Mein Kollege Tim widmet sich ausschließlich der Evaluierung von Tools und KI-Technologien für unsere spezifischen Use Cases. Die Anwendungsszenarien sind vielfältig:

  1. Themen-Recherche: Zeit sparen und relevante Inhalte schneller identifizieren
  2. Konzeption: Kreative Ansätze KI-gestützt entwickeln und verbessern
  3. Text- und Bildgenerierung: Effizient hochwertigen Content produzieren
  4. Stimmungsanalyse und Trendüberwachung: Frühzeitig auf Veränderungen reagieren
  5. Strategische PR-Planung: Datenbasiert planen und kontinuierlich optimieren

Die Arbeit mit KI in der Kommunikation verspricht enorme Effizienzgewinne – doch ohne strategisches Fundament bleibt ihr Potenzial ungenutzt. Unsere Erfahrung zeigt: Qualität geht vor Tempo. Zwar beschleunigen KI-Tools viele Prozesse erheblich, doch bleibt die redaktionelle Nachbearbeitung unerlässlich. Wer auf Schnelligkeit setzt und die Qualitätssicherung vernachlässigt, riskiert unbrauchbare Ergebnisse.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination aus Tool- und Prozesskompetenz. Es reicht nicht, ein KI-Tool bedienen zu können – entscheidend ist das Wissen um seine spezifische Eignung, das geschickte Prompten sowie eine klare strategische Steuerung. Umfangreiches Testing und die kontinuierliche Weiterentwicklung von Routinen zahlen sich in höherer Qualität und Effizienz aus. Ein weiteres zentrales Learning: Format-spezifisches Denken ist Pflicht. Eine 1:1-Übertragung von Inhalten in andere Formate funktioniert selten. Wer bereits bei der Erstellung des Ursprungsformats die spätere Transformation mitdenkt, spart im Nachgang viel Zeit und Aufwand.

Auch der Return-on-Investment sollte stets mitgedacht werden. Nicht jedes Content-Asset eignet sich für eine KI-gestützte Transformation. Besonders lohnend ist der Start mit Evergreen-Inhalten – also Formaten, die langfristig relevant bleiben.

Schließlich gilt: Die technologische Entwicklung schreitet rasant voran. Um das volle Potenzial neuer KI-Funktionen zu nutzen, braucht es regelmäßiges Testing und Anpassung bestehender Prozesse. Dabei ist stets zu prüfen, ob die zusätzlichen Features auch in einem sinnvollen Verhältnis zum Aufwand stehen.

Der wahre OMR-Wert: Menschen und Ideen

Trotz der inhaltlichen Schwächen rechtfertigt ein Aspekt die jährliche Reise nach Hamburg: das Networking. Die wertvollsten Erkenntnisse entstehen nicht auf der Hauptbühne, sondern in den Pausen – bei spontanen Gesprächen, informellen Treffen und im direkten Austausch. Diese ungeplanten Momente und Zufallsbegegnungen eröffnen oft neue Perspektiven und führen zu konkreten Geschäftsideen. Sie sind es, die die OMR für mich unverzichtbar machen.

Die OMR bleibt eines der wichtigsten Digital-Events im deutschsprachigen Raum – aber sie könnte so viel mehr sein. Ich wünsche mir mehr Tiefe statt oberflächlicher Show, mehr Raum für kritische Stimmen und ehrliche Einblicke in gescheiterte Projekte.

Picture of Linus Kurtenbach

Linus Kurtenbach

Marken- und Kommunikationsstratege, Netzwerker und Fan von guter Kommunikation, die Menschen wirklich begeistert. Bringt reichlich Erfahrung aus dem B2B-SaaS-Marketing, der Technologie-PR und der Event-Kommunikation mit. Liebt Speckbrett, Münster und die weite Welt.

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