21. Oktober 2025

Souveränität durch Handeln: Erkenntnisse vom Digital Summit Nord-Westfalen 2025

Rund 200 IT-Entscheider, ein Nachmittag, eine zentrale Frage: Wie souverän ist Europas digitale Zukunft wirklich? Der Digital Summit Nord-Westfalen im IHK-Bildungszentrum Münster bot unbequeme Wahrheiten – und konkrete Lösungsansätze.
Foto Thomas Mohn

von Tim Wessels

Rund 200 IT-Entscheider, ein Nachmittag, eine zentrale Frage: Wie souverän ist Europas digitale Zukunft wirklich? Der Digital Summit Nord-Westfalen im IHK-Bildungszentrum Münster bot unbequeme Wahrheiten – und konkrete Lösungsansätze. Zur von unserem Geschäftsführer Christoph Salzig moderierten zentralen Podiumsdiskussion gibt es hier einen weiteren Blogartikel.

 

Foto Thomas Mohn


Wie abhängig sind wir wirklich?

„Wir haben immer mehr Souveränität aus der Hand gegeben“, brachte es Manuel Atug auf den Punkt. Der Mitgründer der Arbeitsgruppe KRITIS ließ in seinem Eröffnungsvortrag keine Illusion übrig: Unsere kritischen Infrastrukturen hängen am Tropf außereuropäischer Tech-Giganten. Besonders brisant: seine Einblicke in die Schattenseiten der KI-Industrie – von der Ausbeutung in der Datenlabeling-Industrie bis zu den ethischen Blindstellen hinter der glänzenden KI-Fassade.
Die von unserem Geschäftsführer Christoph Salzig moderierte Podiumsdiskussion zeigte exemplarisch die Kluft zwischen Erkenntnis und Handeln: Während der Draghi-Report 750 Milliarden Euro jährlich für Europas Wettbewerbsfähigkeit fordert, nutzen fast alle Teilnehmer Microsoft 365 und wären auch nicht zu einem Wechsel bereit. In der Diskussion mit Andrea Wörrlein, Lutz Niemeyer, Prof. Skibicki und Manuel Atug bildete sich trotz kontroverser Debatten ein Konsens heraus: Die Lösung wird nicht von der Politik kommen, der Mittelstand muss selbst die Initiative ergreifen. Mehr Details finden sich in unserem weiteren Blogartikel zur Podiumsdiskussion.

 

Context Engineering: Vom Problem zur praktischen Lösung

Nach den strategischen Debatten auf der großen Bühne boten die Round Tables Raum für konkrete Lösungsansätze. „Wer KI nur einsetzt, bleibt abhängig!“ – unter diesem provokanten Titel diskutierte Christian Fliß von XITASO mit uns über die wahren Herausforderungen beim KI-Einsatz.
Die Diskussion machte ein zentrales Problem deutlich: Die meisten Unternehmen nutzen KI-Tools wie ChatGPT nur oberflächlich – sie werfen Fragen rein und hoffen auf brauchbare Antworten. Was fehlt, ist das systematische Aufbereiten der eigenen Unternehmensdaten und des Fachwissens, damit KI-Systeme wirklich damit arbeiten können. Genau hier setzt Context Engineering an: Es geht darum, Informationen so zu strukturieren und anzureichern, dass die KI den richtigen Kontext versteht.
Parallel dazu beobachten wir einen interessanten Trend: Statt sich auf Cloud-Anbieter zu verlassen, experimentieren immer mehr Unternehmen mit selbst gehosteten KI-Modellen. Die Motivation ist klar – Datenkontrolle und Unabhängigkeit. Doch die Realität ist ernüchternd: Viele unterschätzen den Aufwand. Egal ob Cloud-KI oder eigenes Modell – ohne das Verständnis, wie man Daten richtig aufbereitet und Systeme trainiert, bleibt man abhängig von externem Know-how oder oberflächlichen Standardlösungen.

Konkrete Alternativen statt Klagen

Während die Keynotes die Probleme benannten, präsentierten verschiedene Unternehmen bereits funktionierende Lösungen: Schmitz Cargobull zeigte, wie aus einem traditionellen Anhängerhersteller eine Smart Factory wird. Prof. Benjamin Risse von der Universität Münster demonstrierte KI in der medizinischen Bildanalyse – souverän, lokal und datenschutzkonform. InnoCoding beeindruckte mit ihrer Lösung IdeaGear, die in Minuten valide Marktrecherchen liefert.
Besonders spannend: Die Diskussionen über Open Source in der Verwaltung. OpenDesk für Behörden, Nextcloud im akademischen Umfeld – die Beispiele zeigten, dass die Technologie da ist. Die Herausforderung liegt im Change Management.


Foto Thomas Mohn

 

Besonders spannend: Der Austausch in den Pausen

Zwischen den Sessions ergaben sich einige aufschlussreiche Gespräche. Mit einem IT-Architekten aus der Versicherungsbranche sprach ich über die praktischen Herausforderungen bei der KI-Integration in gewachsene Systeme.
Mit den Gründern von InnoCoding diskutierte ich über automatisierte Recherche – ein Thema, mit dem ich mich selbst intensiv beschäftigt. Es geht dabei um Recherche-Systeme, die wirklich belastbare und gesicherte Ergebnisse liefern. Für solche komplexen Rechercheaufgaben nutze ich Tools wie Claude Code, das eigentlich als Programmierwerkzeug gedacht ist, sich aber hervorragend für autonome, mehrstufige Arbeitsabläufe eignet – es plant selbstständig, erstellt Unteraufgaben und arbeitet diese systematisch ab.
Interessant war in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit einem Entwicklungsleiter, der einen ähnlichen Ansatz verfolgt: Claude Code nicht nur zum Coden, sondern als agentisches Werkzeug für komplexe Aufgaben einzusetzen. Bisher hatte ich mich gefragt, ob noch jemand das Potenzial dieser Arbeitsweise erkannt hat – offenbar ist das der Fall, wenn auch noch selten. Wer verstehen will, was diese agentische Arbeitsweise so mächtig macht, findet Details in meinem Artikel für OMR Reviews.
Generell fiel mir auf, dass viele Unternehmen mit selbst gehosteten LLM-Lösungen experimentieren. Die praktischen Fragen, die dabei aufkommen, ähneln sich: Integration in Bestandssysteme, Aufbereitung von Dokumentation, Überzeugung der Entscheider.

Die wichtigsten Trends und Erkenntnisse:

Nach fast acht Stunden Digital Summit kristallisierten sich folgende Trends und Erkenntnisse heraus:

Context ist King: Ohne vernünftiges Context Engineering wird KI zum Risiko statt zur Chance.

Lokale LLMs im Trend: Selbst gehostete KI-Modelle werden zum goldenen Mittelweg – souverän, sicher und trotzdem leistungsfähig.

Open Source ist erwachsen: Die Alternativen funktionieren. Es mangelt nicht an Technologie, sondern an Umsetzungswillen.

Vernetzung schlägt Einzelkampf: Die Herausforderungen sind zu groß für Alleingänge.

Für unsere Agentur pr://ip war die Teilnahme ein voller Erfolg. Die Impulse zu Context Engineering und KI-Strategien werden wir auch bei der Umsetzung eigener interner KI-Projekte berücksichtigen.

Der Summit zeigte: In Münster und Nord-Westfalen wird digitale Transformation nicht nur diskutiert – hier arbeiten Unternehmen konkret an Lösungen. Auf vielen Ebenen sind die Dinge im Prozess und in Bewegung – die Lösungen formieren sich gerade.

 

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Tim Wessels

Tim Wessels ist AI Strategist bei pr://ip und verantwortet bei uns die Integration von KI-Technologien in alle Agenturprozesse. Mit 20 Jahren IT-Erfahrung und aktuellem Kommunikationswissenschafts-Studium verbindet Tim technische Expertise mit strategischer Kommunikationsberatung. Seine Leidenschaft: die Brücke zwischen KI-Möglichkeiten und praktischem Nutzen schlagen – beim Münsterhack zeigte er im Team "Münster" Easy, wie das zu konkreten Lösungen führt.

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