23. Oktober 2013

Siemens vor Adidas: Analyse der DAX30 YouTube Kanäle offenbart Nachholbedarf

Die Verfügbarkeit hoher Bandbreiten – egal ob im Festnetz oder mobilen Netz – haben die Attraktivität von Webvideos weiter gesteigert. Umso wichtiger ist es für Unternehmen eine vernünftige Bewegtbildstrategie zu verfolgen. Wenn nicht die DAX30-Konzerne, wer könnte sonst mit gutem Beispiel vorangehen? Die Wahrheit liegt – wie so oft – in der Mitte, wie eine aktuelle Analyse der YouTube der DAX30-Unternehmen verdeutlicht. Auch hier gibt es selbst im Jahr 2013 noch Totalausfälle…
Ranking YouTube Kanäle der der DAX30-Unternehmen

Wir schreiben inzwischen das Jahr 2013. Das Internet in seiner heutigen Form besteht seit rund 20 Jahren, während Begriffe wie „Social Media“ oder „Web 2.0“ seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts im Umlauf sind. In dieser Zeit sind auch die großen Player des Social Web wie Facebook, Twitter und YouTube entstanden, deren Bedeutung und Nutzen niemandem mehr erklärt werden müssen. Man sollte meinen, die Zeitspanne von den Anfängen des Web 2.0 bis heute reiche einem finanzstarken Konzern aus, um sich auf den jeweiligen Plattformen zu positionieren und dem Nutzer interessanten Content zu liefern. Dass jedoch bei Weitem nicht alle Unternehmen einen gelungenen YouTube-Auftritt ihr Eigen nennen können, zeigen die Ergebnisse einer Analyse der YouTube Kanäle der DAX30-Unternehmen.

Was wurde analysiert?

Ranking YouTube Kanäle der der DAX30-Unternehmen

Ranking YouTube Kanäle der der DAX30-Unternehmen

Jeder YouTube-Kanal wurde dabei anhand von sieben Kriterien untersucht: Qualität, Exklusivität sowie Vielfalt der Inhalte, Kontext und Wiederkennungswert des Kanals, Häufigkeit der Posts sowie die Reichweite des Angebots. Je nach Beurteilung wurden die einzelnen Kriterien mit 0, 1 oder 2 Punkten bedacht. Einige Kriterien wurden aufgrund ihrer Bedeutung für die Analyse im Anschluss stärker gewichtet.

Von wegen adidas: Siemens triumphiert im Ranking

Das Ergebnis der Analyse zeigt eine qualitative Heterogenität der YouTube-Kanäle. Die Spanne der Gesamtpunktzahl reicht vom Minimum (0 – ja, wirklich!) bis hin zur Maximalpunktzahl (20). Dazwischen sind sämtliche Unternehmen relativ gleichmäßig verteilt, wobei insgesamt durchaus eine positive Tendenz festzustellen ist. Was jedoch nicht heißt, dass einige Konzerne ihrem eigenen Anspruch zumindest bei YouTube überhaupt nicht gerecht werden.

An der Spitze des Rankings thront Siemens, welches als einziges Unternehmen mit der Höchstpunktzahl aufwarten kann. Eine enorme thematische Vielfalt der Videos sowie eine ansprechende Landing Page und gute Verknüpfung mit den anderen Social-Media-Kanälen des Unternehmens sichern dem Technologiekonzern den ersten Platz im Ranking.

Den zweiten Platz teilen sich die Versicherer von der Allianz sowie der Volkswagen-Konzern und komplettieren somit das Siegerpodest. Der Kanal der Allianz überzeugt durch eine klare Struktur und einem thematischen Mix aus Karrieremöglichkeiten im Unternehmen, unterhaltsamen Clips der Sportsponsoring-Abteilung (Formel1, Allianz-Arena) sowie einem internationalen Videoangebot von Firmenablegern im Ausland. Volkswagen punktet mit Videos zur Entwicklung neuer Produkte, der Vorstellung von Mitarbeitern in der Produktionskette eines Autos. Des Weiteren bieten beide Kanäle einen allgemeinen Diskussionsraum für die Nutzer.

Schwache Auftritte von K+S und Commerzbank – ThyssenKrupp meidet YouTube komplett

Während sich zwölf Unternehmen im guten oder sogar sehr guten Bereich des Rankings wiederfinden, gibt es nach unten hin drei Ausreißer.

Commerzbank YouTube Channel

Commerzbank YouTube Channel

Das Bergbauunternehmen K+S enttäuscht nicht nur durch die geringe Anzahl der Videos. Diese sind überdies auch noch sehr themenarm sind und bestehen im Wesentlichen aus Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden zu den aktuellen Quartalszahlen. Konkrete Produkte oder Entwicklungsschritte werden nicht vorgestellt. Ähnlich monoton präsentiert sich der Kanal der Commerzbank, welcher den Fokus gänzlich auf Einstiegs- und Ausbildungsmöglichkeiten legt. Der letzte Clip wurde dabei vor neun Monaten hinzugefügt, scheinbar ist der YouTube-Kanal im Unternehmen in Vergessenheit geraten. Eigentlich erstaunlich, versucht der Konzern doch gerade mit vermeintlich authentischen Clips in der TV- und Kino-Werbung zu punkten.

Insgesamt wirken die Kanäle von K+S und der Commerzbank äußerst struktur- und inhaltslos und offenbaren sehr großen Nachholbedarf. Noch schlechter schneidet in der Untersuchung nur noch der  ThyssenKrupp-Konzern ab. Das Stahlunternehmen ist das einzige DAX30-Mitglied ohne eigenen YouTube-Kanal, lediglich eine von YouTube automatisch erstellte Liste mit Beiträgen zum Unternehmen lässt sich auf der Videoplattform finden. Damit nimmt ThyssenKrupp nicht nur den letzten Platz in diesem Ranking ein, sondern gibt ganz nebenbei die Möglichkeit auf, sich selbst im Bewegtbildsektor zu präsentieren. Wer somit nach ThyssenKrupp auf YouTube sucht, findet lediglich fremdgesteuertes Material, jedoch keine unternehmenseigenen Videos. So überlässt man Kritikern das Feld.

Wie kommt es zu den großen Unterschieden?

Naturgemäß stellt sich die Frage, ob die großen Qualitätsunterschiede der Kanäle auf die Attraktivität der jeweiligen Branchen zurückzuführen sind. Zugegeben, ein unterhaltsamer Imagefilm von „adidas“ mit Lionel Messi und Gareth Bale erzeugt aufgrund seines Inhalts eine größere Viralität als die Produktvorstellung einer Versicherungspolice der „Münchener Rück“. Doch die Reduzierung auf Klickzahlen und Markenstärke greift viel zu kurz. Entscheidend ist der Content, der in den Kanälen zu finden ist. Was nützen Millionen von Aufrufen, wenn sie nicht die richtigen Nutzer erreichen? Was nützen mehrere 100 und mehr neue Videos im Jahr auf dem YouTube-Kanal, wenn sie sich inhaltlich ähneln und keinerlei Mehrwert bieten? Und wer verbietet Konzernen in vermeintlich langweiligen Branchen, Videos anzufertigen, die trotzdem einen Unterhaltungswert haben?

HeidelbergCement YouTube Channel

HeidelbergCement YouTube Channel

Inhaltlich sollten Webvideos in ihrem Anspruch die Aspekte Nützlichkeit, Relevanz oder zumindest Unterhaltung erfüllen. Und da bieten sich selbst einem Unternehmen aus einer eher sperrigen Branche wie „Heidelberg Cement“ Möglichkeiten. Einblicke in den Unternehmensalltag, detaillierte Begleitung von Produktionsprozessen, Appelle zur Anwerbung von Nachwuchskräften oder die Vorstellung von Mitarbeitern sind nur einige Optionen. Wie auch Konzerne aus Branchen punkten können, die weithin als unsexy gelten, zeigt der Chemiekonzern BASF, welcher im Ranking gemeinsam mit BMW den siebten Platz erreicht.

Wenn also die Branchen nicht ausschlaggebend sind, woran liegt es dann? Etwa an den finanziellen Ressourcen? Wohl kaum. Wenn ein Unternehmen über ausreichende Ressourcen zum Betrieb einer kleinen Social-Media-Abteilung verfügen sollte, dann doch am ehesten ein DAX30-Konzern. Es gibt genügend Beispiele von mittelständischen Unternehmen, die ein vorzeigbares Bewegtbildangebot mit Bordmitteln etabliert haben. Dieses Argument verfängt also kaum.

Zu geringes Budget oder zu große Angst?

Viele Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren schwer getan mit dem Umstieg auf Social Media und anscheinend hält dieser Zustand bei manchen bis heute an. Gut möglich, dass immer noch die Furcht vor dem Öffnen der Büchse der Pandora eine große Rolle spielt. Die Unsicherheit im Umgang mit den vermeintlich neuen Medien oder die Furcht vor Kritik durch die Verbraucher, die möglicherweise in einem unkontrollierbaren Shitstorm münden könnte – all das sorgt dafür, dass sich einige Unternehmen wenn überhaupt, dann nur sehr vorsichtig aus der Deckung wagen.

Cover your ass!

CC by One Way Stock

CC by One Way Stock

Weitaus wahrscheinlicher ist jedoch, dass komplexe und bisweilen überkommene Strukturen in den großen Konzernen ein ordentliches Bewegtbild-Angebot verhindern. Ellenlange und unflexible Entscheidungsketten vom CEO samt Vorstand, über das Marketing und die Pressestelle bis hin zum Social-Media-Verantwortlichen sind Gift für kreative und abwechslungsreiche Beiträge. Eine weitgehend unabhängige Social-Media-Abteilung stellt den absoluten Optimal- indes meist nicht den Regelfall dar. Statt einer langfristigen Zeit- und Redaktionsplanung, bei der Themen und Strukturen des YouTube-Kanals festgelegt werden, um die Produktion der Videos ohne großen Zeitdruck angehen zu gehen, herrscht bei nicht wenigen Konzernen die „Cover-Your-Arse-Mentalität“. Glatte Produktvideos statt mutiger, dafür aber umso interessanterer Clips sind dann das Resultat, wenn Ideen weichgekocht oder im Keim erstickt werden auf dem Weg durch die Instanzen. Insofern liefert diese Analyse möglicherweise auch Aufschluss darüber, wie es um die Strukturen, Freiräume und Entscheidungsprozesse in den Unternehmen bestellt sein könnte…

Nachholbedarf vorhanden

Trefferliste "Thyssen Krupp" bei YouTube

Trefferliste „Thyssen Krupp“ bei YouTube

Es mutet dennoch rätselhaft an, wie Unternehmen aus ein und derselben Branche derart unterschiedliche Herangehensweisen an ihre YouTube-Auftritte haben. Während die Allianz mit einem sehr guten Kanal Platz zwei im Ranking belegt, dümpelt die Münchener Rück gerade noch im ausreichenden Bereich herum. Ebenfalls ist auch der desolate Auftritt der Commerzbank kaum zu erklären, während die Konkurrenz von der Deutschen Bank zumindest im gesicherten Mittelfeld der Untersuchung landet. Zudem darf sich der ThyssenKrupp-Konzern an dieser Stelle gerne eingeladen fühlen, seinen eigenen YouTube-Kanal einzurichten und ihn mit Inhalten zu bespielen anstatt Dritten das Bewegtbild-Spielfeld impulslos zu überlassen.

Diese Analyse ist durch die subjektive Wahrnehmung einer Person entstanden. Insofern bietet sie reichlich Spielraum für Diskussionen und Bewertungen.

Überraschende Ergebnisse oder erwartungsgemäße Resultate? Welche Konzerne, aber auch kleinen und/oder mittelständischen Unternehmen wissen mit ihrem Webvideoangebot zu überzeugen? Müssen es immer HD-Produktionen sein oder geht es auch anders? Wir freuen uns über Kritik, Meinungen, Anregungen oder Kommentare!

Zum Autor:

Dominik Malczewski studiert Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster und hat die letzten Monate sein Praktikum bei uns absolviert. Zum Abschluss hat er sich die Zeit genommen anhand verschiedener Kriterien die Kanäle der DAX30-Unternehmen zu analysieren. Er wurde dabei von uns angeleitet und begleitet. Insofern teilen wir die Beurteilung der jetzt vorliegenden Ergebnisse.

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