13. April 2015

Wir brauchen Top-Events und keine Klassentreffen – oder: Was der re:publica zur Web Summit fehlt!

Was sind eigentlich die Beweggründe, um eine Konferenz zu besuchen? Eigentlich ganz einfach: Networking mit Partnern, Multiplikatoren und Kollegen, neue Impulse für mein Tagesgeschäft, die Einordnung von Trends und Entwicklungen und nebenbei Spaß und Unterhaltung. Lege ich diese Kriterienliste zu Grunde, so bin ich mir nicht sicher, ob der über Jahre etablierte Besuch der re:publica in diesem Jahr wirklich sinnvoll ist. Denn eigentlich möchte ich meine begrenzte Zeit in einem anderen Umfeld investieren.
Bunt, laut und wahnsinnig spannend: Dublin Web Summit 2015

Bald ist wieder Mai. Und damit nähert sich das größte Klassentreffen der Online-Szene: die re:publica 2015 (kurz: #rp15). Seit Jahren bin ich dort zu Gast. Ich treffe Bekannte, KollegInnen, BloggerInnen, JournalistInnen, StartUps und habe – wie die meisten anderen auch – zum Teil feste Rituale: pre:publica, Steak Geek Dinner, #TasseBier, Salumeria-Abend, netzpolitischer Abend. 2015 wird das allerdings anders sein. Ich werde jedoch nicht nur das Rahmenprogramm bewusst anders gestalten, viel mehr frage ich mich ernsthaft, ob es sich für mich lohnt überhaupt dort hinzufahren.

Filterblase in Reinkultur

Es ist mit der #rp15 wie mit vielen anderen Veranstaltungen, bei denen ich massenhaft bekannte Gesichter treffe: Man grüßt sich, man tauscht ein paar Worte und verabredet sich zum Telefonat, weil Zeit und Ruhe für ein intensives Gespräch fehlen. Hinzu kommt der eigentliche Erkenntnisgewinn bei den Panels, Workshops und Podien: Er tendiert hier – wie auch bei vielen anderen Veranstaltungen – gen Null. Die re:publica bietet die deutsche „Filterblase“ in Reinkultur. Auch wenn die breite mediale Aufmerksamkeit inzwischen gesichert und die (Un?)Konferenz damit im Mainstream angekommen ist, vieles – vielleicht sogar das meiste – dreht sich wie die Ausläufer eines Wirbelsturms (immer noch) um die selbsternannte, deutsche „Blogger-Elite“. Und vor allem: Es wird – wie Sascha Lobo, der sich damit von dieser Szene endgültig emanzipiert, so treffend feststellt – nur geredet, aber das meiste verpufft mehr oder weniger wirkungslos.

Auf der Suche nach wertvollen Impulsen

Die Resonanz der re:publica im Web im Vergleich zur CeBIT steht dabei in keinem Verhältnis zur Leistungsbilanz beider Veranstaltungen hinsichtlich der digitalen Transformation hierzulande. Natürlich ist es nicht der Anspruch einer re:publica sich in vorderster Front um businessrelevante Themen zu kümmern. In dem Ausmaß, in dem jedoch mehr und mehr Teilnehmer angesprochen werden, die sich wahlweise Urlaub nehmen oder die Freigabe ihres Arbeitgebers einholen müssen, um nach Berlin zu kommen, Existenzgründer und Blogger im Umfeld der re:publica nach Finanzierungsquellen oder Entscheider aus der Wirtschaft nach Impulsen und neuen Ansätzen fahnden, wird sich die re:publica zwangsläufig hieran messen lassen müssen. Dass sich sowohl gesellschaftlich-politische als auch ökonomische Topics in einem Event abbilden lassen, dafür hat es immer wieder sehr gute Beispiele gegeben: Picnic Amsterdam oder LeWeb Paris in ihren starken Jahren etwa. In Deutschland jedoch fehlt ein solcher Top-Event. Ja, die re:publica ist groß. Aber deshalb hat sie noch lange keine Stahlkraft für internationale Gäste. Berlin hält sich – zu Recht oder zu Unrecht sei dahingestellt – für einen, wenn nicht DEN Hotspot in Sachen digitale Wirtschaft. Doch hat es hier bislang kein Event in die Riege der internationalen oder wenigstens europäischen Top-Events geschafft.

Wo ein Wille, da ein Weg – wo kein Wille, da viele Gründe

Man kann lange darüber grübeln, warum das so ist. Deplatzierte Eitelkeiten, die etwa die Verschmelzung der re:publica mit der NEXT Berlin (die nun wieder in Hamburg stattfinden wird) verhindert haben. Mangelndes Commitment der Hauptstadt – eine Berlin Web Week mit ihren wahl- und planlos aneinandergereihten Events war und ist letztlich nur ein Feigenblatt einschlägiger lokaler Gruppierungen und Initiativen im Schulterschluss mit dem Hauptstadtmarketing. Besitzstandswahrung Einzelner, die sich nur allzu gern seit Jahren als digitale Vordenker inszenieren. Distanzwahrung politischer Gruppierungen, die mit der „wilden Meute“ der re:publica nichts anzufangen wissen. Gründe gibt es nicht wenige. Im Ergebnis fehlt es Deutschland  (und nicht unbedingt Berlin) immer noch an einem echten Top-Event, das auch international für Aufsehen sorgt.

Und so werde ich weiter darüber grübeln, ob ich vier Tage Berlin investiere. Natürlich sehe ich viele Gesichter dort gerne wieder. Nur fehlt die Zeit (s.o.), um auch tatsächlich mal über Themen und Ideen zu grübeln, die mich (und einige andere) umtreiben, und diese weiterzuspinnen. Und vor allem: Es fehlen mir seit geraumer Zeit die Impulse, die ich mir von einer solchen Veranstaltung eigentlich erhoffe. Um besser nachvollziehen zu können, was ich damit meine, lasse ich einfach mal andere Menschen beschreiben, worum es dabei geht. Die Stimmen stammen übrigens nicht von der re:publica, sondern sind alle am Rande der Web Summit in Dublin eingefangen worden. Für mich ein Event, das – trotz oder gerade wegen seiner nahezu unüberschaubaren Größe und Dichte – für mich zu den absoluten Pflichtveranstaltungen zählt.

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